VORTRAG PETER RATH Jahresversammlung Light & Glass in Würzburg 24.9.2013


 

Luster-im-Museum-in-Prag

Luster-im-Museum-in-Prag

BELEUCHTEN  MIT  MEHR  SCHATTEN

 

Wir wollen die Kultur der Zukunft mit gestalten, im Spiel von Licht und seinem Schatten, von Schatten mit seinem Licht, denn ohne Schatten ist jede Kultur ohne Licht!

Wir leben in einer aufregenden Kulturperiode, der Endperiode europäischer Wachstumsdekadenz.

Seh-Erfahrungen werden weit überbetont, die anderen Sinne vernachlässigt oder mit Lärm zugedeckt. Schneller, greller, lauter! All diese Schriften, Plakatfotos, beschriftete Menschen. Feiner Kontrast, feine Stimmungswahrnehmung ist nicht mehr möglich, das kam durch die Droge der Gewohnheit. Die Bequemlichkeit scheint das so zu bejahen, gut zu heißen, ach so cool!

Ist es eigentlich noch der Architekt, der den Raum als Künstler schafft, als seiner nach Bestand suchenden Umweltaussage?

Erkennt er noch die aufregenden Empfindungen, die uns das Natur- das Tageslicht, die einzigartige Sonne in den von ihm geplanten Räumen ermöglichen wird? Kann er, der dies nie gelernt hat, diese Eindrücke noch gebrauchen, gestalten?

Richtung der Lichtstrahlen, feinlangsame Bewegung, scharfe reliefierende Schatten, Spiegelungen und Reflexe, Farbveränderung je nach Tageszeit und Witterung, das alles sollte bei Tag seine Palette sein um   s e i n e n   Raum als Kunstwerk für uns Menschen erfühlbar zu machen. Wie schwieriger, wie dann aber menschlicher ist die Kunst der wirklichen

B e l e u c h t u n g   dieses Raumes nach Einbruch der Dunkelheit. Der Raum ist vorerst weg, nicht existent. Nur mit einem Funken, einer einzigen Kerze ist er aber als Ganzes wieder da, herrlich geschaffen, neu, mit gestaltetem, gewolltem Licht und mit dem wenigen Licht eben endlich wieder menschlich spürbar, mit seinem kreativ, bewussten Schattenzonen.

Wir wollen wieder winzige Töne hören, feine Düfte einnehmen, die Dunkelheit genießen lernen, mit all unseren Sinnen!

Statt dessen, die Stadt ohne Sterne, Tiere verirren sich in der Lichtverschmutzung, Dekadenz, Gier nach noch mehr Licht, Macht, nach fraglicher Sicherheit, Helligkeiten  wie der Lichtblitz, dem Symbol des Unterganges, des gar nicht mehr sehen Könnens in der lichtersoffenen Umwelt.

Da gibt es Gesetze, Lampenverbote, schattenlos lichtverschüttende Röhren! (der am schlechtesten ausgeleuchtete öffentliche Raum in Wien ist das neue Museum im “21er Haus”. Eine moderne “Lichtdecke” aus hunderten rasterartig, gleichgültig angebrachten Leuchtstoffröhren, ganz schattenlos). Von den “Experten” noch als “mutig, neu, als Kunstwerk” hochgepriesen.

 

“Ausleuchten” statt “Beleuchten” so geht das nicht! Die wahre Schönheit, das Wunder eines Frauengesichtes  kann zu fünfzig Prozent, nicht durch das Auge, sondern  nur im Hirn durch erinnernde Phantasie entstehen, nie im grellen schattenlosen Scheinwerferlicht. Wer leuchtet heute auch gotisch, hohe Gewölbe, die für mystisches Dunkel gebaut wurden hell aus, wer zeigt uns den Schwindel der barocken Trompe-l’œil Malerei, mit nach oben gerichtetem “indirektem Licht”? Das sind “Experten”, nichts verstehende Kulturmenschen, Berater, gutverdienende “Dienstleister”.

Es war Tiepolo der hier in der Würzburger Residenz, in seine hohen Decken dann Spiegelteilchen einbaute, um Illusionen von funkelnden Sternen zu bringen, der anscheinend auch die Luster, wieder mit Spiegelteilchen, selbst entwarf, um auch nachts die Wunder seiner Bild-Erzählungen erahnen zu lassen. Es geht heute um Schönheit für Alle, in unserer demokratischen Wohlstandskultur.

“Neues Licht”, auch “Slow Light”, das ist die Philosophie der Künstlerin Siegrun Appelt, meine eigene Idee von 1990 “Licht in Bewegung” und noch früher, 1967 schon, der Japaner  Tanizaki in seinem Büchlein “In praise of shadows”, das ist genau unser Thema.

Der Schatten bringt mir meine Raumidee, dann erst schaffe ich das Licht als Werkzeug für meinen Schatten!

Zuerst war es die geschaffene Finsternis, dieses wunderbare, unergründliche überall gleiche, unendliche Nichts, dann erst der göttliche, schließlich der menschliche Schöpfungsakt: “Es werde Licht – und es ward Licht”. Auf einmal hat man gesehen, die Räume nun erfahren können, die Phantasie findet damit Körnchen, Wahrheiten, wie die Welt sich für mich wirklich darstellen könnte. Das ist Beleuchten, das ist absolut nicht Ausleuchten.

 

Wie kommen wir weiter? Kultur-Regeneration? – Nur durch Beispiele, durch neue, erneuerte alte Erfahrung, hier ist Light & Glass gefordert, hier leisten die Historiker und Restauratoren höchste Dienste für eine gute Zukunft der menschlichen Empfindlichkeit hin zu nachhaltig Schönem.

 

Über neu erarbeitete, beispielhafte Räume, über die feinen Empfindungen neuer Erfahrung im Schatten müssen wir sprechen, viel sprechen, austauschen, uns berauschen lassen, erleben selbst, die im geplanten Schatten versteckte, verborgene Schönheit die in meinem Kopf erst wirklich entsteht. Wir werden Schönheit und eigenes Glücksempfinden erst über neue Dunkelheiten erleben lernen müssen!

Nehmt uns das schattenlose, alles ausleuchtende Licht, lasst uns auch, unsicher manchmal, wieder stolpern, damit wir wieder lernen, wie gut, wie angstlos und stolz wir uns in der Dunkelheit wieder bewegen können. Es geht um neue Gewohnheiten, damit die “Massen” auch mitdenken können, es geht um das Aufzeigen des Luxus einer weichen Dunkelheit.

 

Lassen Sie mich, der ich eine Generation lang mit führenden Künstlern, Architekten und hohen Würdenträgern um Licht in der Dunkelheit, mit kontrastierendem scharfen Schatten  gerungen habe, lassen Sie mich die Wunder der richtigen Lichtwerdung im Raum erklären.

 

Die Aufgabe des Licht- und Schattengestalters ist es, die Schönheit der Welt zu suchen, sie zu erahnen, daran zu glauben, sie zu finden, mit all seinen Sinnen. Dies zu gestalten gilt es und für uns aufzuzeigen, wie wir Alle wieder anständig und nachhaltig leben lernen müssen.

Gestalteter Schatten braucht ganz vorsichtig auch Licht. Wird die weiße Leinwand etwa, durch meinen einzigen ersten, winzigen Farbpunkt nicht auch schon zum Bild?

Tanizaki erklärt uns, für einen Japaner, die schönste aller Frauen: Hell und sichtbar ist nur das Weiß ihres Gesichtes und das reine Weiß ihrer Hände. Alles Andere ist mit Stofffalten mit wallenden Textilien, mit dem Schwarz der Haare im abgedunkelten Raum, aller Ablenkungen entzogen, der schöne Mensch ist nur  s o  voll für mich erdenkbar, und jetzt erst wahr.

Essen, zusammen mit Mitmenschen, in grellem Licht lässt genüssliche Wonne-Erfahrungen zu reinen Abbildern von Nahrung verkommen. Die Dunkelheit erst gestaltet unser Empfinden im lebendigen Augenblick.

Nun zur Bewegung des Lichtes mit seiner ihm folgenden Schattenbildung: – Der Raum ist nun erst dreidimensional, Bewegung ermöglicht die Wahrnehmung plastischer Details, ganz langsam bewegt sich dazu die Lichtquelle, mit Computer geschaltet, in einem zeitlichen Fortgang. Das Gesehene wird damit zur Geschichte.

Die Materialien im gestalteten Raum: Blattgold blitzt auf als Überraschung, Farben werden erahnt und aus vergangenem Erleben erkannt, endlich wieder mit allen Sinnen genossen.

Nur die punktförmige Lichtquelle bringt mir den scharfen Schatten, der im Raum dann noch die von mir geplante Dunkelheit belässt.

Die große Architektur, wieder mit Schatten gestaltet, lässt mir die “Ahnung”. Diese Ahnung basiert auf meinem derzeitigen Wissensstand, ist daher für jeden verschieden, ist nun mein persönliches Erlebnis im Raum.

Musik, Sprache, feinste Töne werden durch elegant, pulsierendes Licht, durch subtile leichte Farbveränderung zum neuen Empfindungserlebnis. Die modernen Lichtschaltungen ermöglichen es uns, auf verderblich Grelles, auf Lautes zu verzichten.

Nun zu historischen Räumen: Wir bringen Euch das Licht jener Zeit. So wie wir erzählen über die Lebensgewohnheiten der damaligen Kulturträger, über deren Möbel, Teppiche,  so zeigen wir nun für das Auge die originalen Räume.

Den höfischen  Luxus des Großen Friedrich hat man in Potsdam sensationell, als Experiment, mit dem originalen Schatten-Licht der Kerzen am Kronleuchter und an den Wandleuchtern, mit 5 lux neu erfahren dürfen. Dr. Klappenbach und Uta Scholz schildern den Schock, als das elektrische Licht wieder anging.

Wir brauchen unsere Gesellschaft “Light & Glass”! Sie gibt – zuerst Wissen, fördert Restaurierung, das Auffinden der Originale, forscht um zu verstehen “Wie und Warum?”, um dann die Ergebnisse breit zu besprechen und zu publizieren. Ganz wichtig, weil derzeit die breite Bildung mit Glas und mit Licht so armselig ist.

Ich sage allen Universitäten und deren Designklassen: Bitte nicht  n o c h  eine Lampe designen, nicht so ausbilden. Bitte designen Sie Licht, zeichnen Sie Ihr Licht, indem Sie  zuerst die Schatten einzeichnen, nur so kommen wir vorwärts zu einer kultivierten Bildung von Gestalterpersönlichkeiten.

Die Jugend ist heute in der Lichtüberfülle unkonzentriert, ausgebrannt, erfährt mit dem Auge viel zu viel Ablenkung und wird in ihrer Gefühlswelt im Dunkeln stehen gelassen.

 

Ich glaube an hohe, dunkle Räume die nicht nach oben, ins Dachgebälk ausgeleuchtet sind.

Ich glaube an dunkle Teile des Raumes, in die ich das mir momentan Unnötige, dann unsichtbar geworden, verschieben, verräumen kann.

Ich fühle mich mitverantwortlich für das unermessliche Wachstum der Lichtflut, eben schon durch die ersten Luster die wir bei Lobmeyr 1882 mit Edison für den Wiener Hof gemacht haben, mitverantwortlich waren wir für die dann folgende elektrische Lichtflut.

Ich bin überzeugt, dass dieser unserer reicher Teil der Welt nur überleben wird, wenn wir mit neuem Anstand der Massen, – anstehen, anhalten lernen und selbst anstehen wollen, vor allem im Licht. All die anderen Anstandsmaßnahmen werden dann im Schatten leichter verständlich sein!

Umso wichtiger ist es zu verstehen, wenn die Lichtquelle nur mehr leise sprudeln soll, dass ich dann glaube zu wissen, wo das Schatten schaffende Licht herkommt.

Der leere Luftraum im Schatten wirkt ungemütlich, beängstigend. Erst eine Möblierung mit einem gestalteten “Möbel der Lüfte”, einer Skulptur, als Lichtträger oder auch nur angeleuchtet, macht mir aus einem Bahnhofs-Fabriks-Arbeitsraum einen Wohn- und Gesellschaftsraum.

Die Kunst  zu beleuchten, die des Architekten der Zukunft, liegt in der Gestaltung der Schattenläufe.

 

Luster für die Grabesmoschee des Propheten in Medina, Lobmeyr 1987 (Foto Lobmeyr)

Luster für die Grabesmoschee des Propheten in Medina, Lobmeyr 1987 (Foto Lobmeyr)


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