Einer These zur richtigen Beleuchtung des GOLDENEN SAAL im Wiener Musikverein / A Thesis regarding the Correct Lighting in the Golden Hall in the Vienna Music Verein


Goldenen Saal Heute

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Autor: Peter Rath, geprüfter Gürtlermeister, heute Sprecher Archive Lobmeyr in Wien.

Von 1968 bis 1993 Entwerfer, Leiter der Lobmeyr Werkstätten, bekannt für Beleuchtungsprojekte in aller Welt.

Auslöser für sein Beratungsexperiment war eine der letzten Aufführungen im Goldenen Saal unter Philip Harnencourt. Bei genialen Pianissimo waren die viel zu grellen Luster unangenehm störend! „Bei zu hellem Licht hört man nicht gut.“

Rath ging der Geschichte des in aller Welt für seine Akustik und für seine Stimmung so berühmten Saales nach und stellte wichtige Fakten fest:

-Der Architekt Theophil v. Hansen hat den Saal ganz ungewöhnlich stark mit Blattgold ausgestattet.

-Wände, Karyatiden, die Decke und die Orgel in gleißendem Gold. Hansen wusste um die gefühlte Wirkung eines goldenen Saales, auch nur bei ganz wenigem Licht. Gold wirkt besonders kontrastreich, intensiv bei wenigem Allgemeinlicht.

-Nur mit wenig Punktlicht, beginnt Gold von sich aus zu strahlen, Relief-Elemente der Architektur, die im Schatten einer Goldoberfläche, wirken als Kontrast-Schatten besonders dunkel.

-Hansen hat seinen Saal mit Schatten geplant! Licht von den wenigen Gasbrennern am Balkon waren nur durch Goldoberflächen in der Lage den Saal für die Musik optimal zu gestalten.

-Ganz wichtig für Hansen war die Wirkung bei Tageslicht. Ungewöhnlich große Fenster sind unter der Decke platziert. Die großen Fenster an der Westweite mit hereinströmender Abendsonne haben den Saal verzaubert.

-Ist der Saal, gleich der berühmten Basilika Sant‘Apollinare Nuovo in Ravenna, mit deren hoch liegenden Fenstern, flachen Holzdecke und Säulen nachempfunden?

Es gibt diverse Bilddokumente zur Entwicklung der Beleuchtung im Saal:

Bild 001, Musikverein 1870

Ein Druck (Bild 001) zeigt die Schlusssteinlegung am 5. Jänner 1870 ganz ohne Luster, nur Gaskandelaber oben auf den Balkonen.

Auf einem Foto von etwa 1898, (Bild 002) nun mit reicher Orgelabdeckung sind die Kandelaber schon elektrifiziert und kleine Hängelampen zwischen den Karyatiden – aber noch immer ganz ohne Deckenluster.

Das Gemälde von August Mandlick zeigt die Jubiläumsfeier vom 24. April 1911, jetzt aber schon mit elektrischen Reifenlustern mit hängenden Kugellampen. (Bild On-line https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Wiener_Musikverein  )

Erst auf einem Foto von etwa 1931, nach dem großen Umbau durch Arch. Ludwig Richter, da die goldenen Karyatiden inzwischen zurück an die Wand versetzt sind, sehen wir Empire-artige Kristallluster mit je acht Auslegearmen. (Bild 003)

Bilder aus 1931 zeigen erstmals auch kleine Deckenluster, nun mit quadratischen Kristallen in Ketten. (Bild Online https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Wiener_Musikverein  )

Bild 002 um 1898 von den Wien Museum, Inventarnummer HMW 17843

Es scheint, dass vor dem Granateinschlag 1945 die Luster abmontiert wurden, erst 1953 wird die Wiener Firma J. & L. Lobmeyr unter Hans Harald Rath beauftragt einen Satz von zehn großen Kristalllustern, unter Verwendung des alten Materials zu liefern. Gedacht als Provisorien (Artikel Nummer 5680/78 Lampen), es sind genau diese Objekte, die bis zum heutigen Tag geblieben und von den Aufzeichnungen der Neujahrskonzerte in aller Welt bekannt geworden. Heute für Fernsehaufnahmen immer mit helleren LED-Lampen.

Mit besonderer Unterstützung des Hausingenieurs Stefan Billing, ging Rath, mit Messlatte und Luxmeter, zum Vollmond am 28. Jänner 2021, zu einer Raummessung, um im Experiment eine optimale Lichtstimmung im Saal zu finden. Diese sollte dem Publikum erlauben, während der Musik gerade noch Programm und Partitur zu lesen. Die Besucher sollten keinesfalls mehr vom vielen Gold und den Details der Architektur, von Bewegungen im Publikum abgelenkt werden.

Am Ende des Tages wurde am Schaltkasten eine optimale Einstellung in das Schaltsystem eingegeben. Hell in den Pausen – magisch dunkel aber zur Musik! Es schien gelungen – wunderbar.

Um die Wirkung mit Publikum zu kontrollieren, lud Intendant Dr. Stefan Pauly, mit Freikarten zu zwei Konzerten ein. Rath war am 6. Juni 2021 beim Abendkonzert unter Maestro Adam Fischer von der neu geschalteten Lichtstimmung im Saal begeistert.

Nach der Aufführung bat er Musiker und Hörer zu kleinen Interviews. Die Musiker wünschten sich endlich eine richtige Pultbeleuchtung für ihre Noten – Luster geben diffuses Streulicht, nicht genug Kontrast aufs Blatt.

Das Publikum schien erstaunt, aber höchst positiv: „Das muss bitte so bleiben!“   Doch leider schien die Intendanz anderer Meinung – eine zweite Lichtprobe wurde ohne Gründe abgesagt. „Es soll alles beim Alten bleiben“.  – War es das allzu schnelle Herunterschalten der Dimmer? Ausgemacht war eine Schaltzeit von mindestens zwanzig Sekunden – am Abend aber war es aus Versehen ein hartes EIN – AUS!

Bild 003, um 1931

Rath findet das Projekt so ganz wesentlich für den weltberühmten GOLDENEN SAAL, dass er den Intentionen und den Erfahrungen des in Wien so groß verehrten Architekten Hansen nachgehen will, um die Verantwortlichen zu überzeugen. Man erlebt Musik über das feine Ohr, dass das Auge, mit dem heutigem Licht, als zu starkes Sinnesorgan das Erlebnis ersäuft!

Wir haben uns an immer hellere Werte gewöhnt – wir sehen in der Stadt keine Sterne – wir hören den Himmel nicht mehr!

Es ist ein Gebot der Stunde, „we must change our habits!“ – jeder Einzelne, inklusiv Politiker, muss seine verwöhnten Gewohnheiten zu drosseln lernen.  – Ein ewiges Mehr an Wachstum, immer heller, bis wir geblendet werden und nichts mehr sehen, kann nicht weiter gehen.

Die Lichtkünstlerin Siegrun Appelt hat das so ganz deutliche im Experiment vorgeführt.

                               Wir planen den Schatten, der uns die Musik erst wirklich hören lässt!

 

 

English Version:

Author: Peter Rath, certified master belt maker, today spokesman for Archive Lobmeyr in Vienna.

From 1968 to 1993 designer, head of Lobmeyr workshops, known for lighting projects all over the world.

The trigger for his consulting experiment at the concert hall was one of the last performances in the Golden Hall under Philip Harnencourt. With brilliant pianissimo, the glaringly bright chandeliers were unpleasantly distracting! “You can’t hear well under light that is too bright.”

Rath traced the history of the hall, so famous throughout the world for its acoustics and for its atmosphere, and established important facts:

-The architect Theophil v. Hansen decorated the hall quite unusually heavily with gold leaf.

-Walls, caryatids, the ceiling and the organ is in glistening gold. Hansen knew about the perceived effect of a golden hall, even in very low light. Gold has a particularly contrasting, intense effect with little general light.

-Only with a little point light, gold begins to radiate by itself, relief elements of the architecture, which are in the shadow of a gold surface, appear particularly dark as contrasting shadows.

-Hansen planned his hall with shadows! Light from the few gas burners on the balcony were able to optimally shape the hall for the music through the gold surfaces.

-Very important to Hansen was the effect in daylight. Unusually large windows are placed under the ceiling. The large windows on the west side have an enchanting effect when the evening sun streams into the hall.

-Was the hall, with its high windows, flat wooden ceiling and columns inspired by the famous basilica of Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna?

There are various pictorial documents on the development of the lighting in the hall:

Image 001, Music Hall 1870

A print (Picture 001) shows the laying of the keystone on 5 January 1870 without any chandeliers at all, only gas candelabra on top of the balconies.

In a photograph from about 1898, (picture 002) now with rich organ covering, the candelabras are already electrified and small hanging lamps can be seen between the caryatids – but still entirely without ceiling chandeliers.

 

The painting by August Mandlick shows the jubilee celebration on 24 April 1911, but now already with electric hoop-form chandeliers with hanging globe lamps. (Picture On-line https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Wiener_Musikverein )

Only in a photo from about 1931, after the major reconstruction by Arch. Ludwig Richter, after the golden caryatids had been replaced on the walls, we see Empire-style crystal chandeliers with eight candle arms each. (Picture 003)

Pictures from 1931 also show small ceiling chandeliers for the first time, now with square crystals in chains. (Picture online https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Wiener_Musikverein )

Picture 002 around 1898 from the Wien Museum, inventory number HMW 17843

It seems that before the bombing in 1945, the chandeliers were dismantled. It was not until 1953 that the Viennese firm J. & L. Lobmeyr under Hans Harald Rath was commissioned to supply a set of ten large crystal chandeliers, using the old material. Intended to be provisional (article number 5680/78 lamps), it is precisely these objects that remain to this day and have become known all over the world via television broadcasts of New Year’s concerts. Today for television, always with brighter LED lamps.

With special support from the house engineer Stefan Billing, Rath went to the full moon concert on 28 January 2021, with a measuring rod and luxmeter, to measure the light in order to find an optimal lighting mood in the hall in an experiment. This should allow the audience to just barely read the programme and score during the concert. The visitors were not to be distracted by all the gold and the details of the architecture or by movements in the audience.

At the end of the day, an optimal setting was programmed into the switching system at the control box. Bright during the breaks – magically dimmed for the music! It seemed successful – wonderful.

To check the effect with an audience, Intendant Dr. Stefan Pauly, extended an invitation to attend two concerts with free tickets. Rath was thrilled by the new lighting mood in the hall at the evening concert under Maestro Adam Fischer on 6th June 2021.

After the performance, he requested short interviews from the musicians and listeners. The musicians wanted proper console lighting for their notes at long last – chandeliers give diffuse light with shadows, not enough contrast on the page.

The audience seemed surprised, but highly positive: “Please keep it that way!”   But unfortunately, the Director seemed to disagree – a second lighting rehearsal was cancelled without ground. “Everything should stay the same”.  – Was it the all-too-fast dimming of the light? A switching time of at least twenty seconds had been agreed upon – but on the evening it was accidentally a sudden ON – OFF!

Picture 003, around 1931

Rath finds the project so essential for the world-famous GOLDEN ROOM that he wants to follow-up on the intentions and experiences of Hansen, the architect so greatly admired in Vienna, in order to convince those responsible. One experiences music through the fine ear, not the eye, and with today’s lighting, the fine points of the experience are drowned!

We have become accustomed to ever brighter, intensive lighting – we don’t see stars in the city – we don’t hear the sky anymore!

I believe, “we must change our habits!” – every individual, including politicians, must learn to curb their longing for more.  – An eternal increase in growth, ever brighter, until we are blinded and no longer see anything cannot continue.

The light artist Siegrun Appelt has demonstrated this quite clearly in her experiments.

We plan the shadows that allow us to really hear the music!

 


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